Die 4. Dynastie
Die 12. Dynastie
Zwei Beispiel-Inschriften
Ebenso wie Champollion wollen wir uns bei den ersten Leseversuchen auf die Königsnamen konzentrieren. Schließlich möchte man z.B. bei einer Grabinschrift wissen, von wem der Text handelt. Sie stechen aus jedem Hieroglyphentext hervor und bieten eine gute und interessante Möglichkeit, neue und viel gebrauchte Hieroglyphen einzuführen.
Die bekanntesten Pharaonen vom Alten bis zum Neuen Reich
entstammen der 4., 12. sowie 18. bis 20. Dynastie. Seit dieser Zeit werden
die Namenszüge in die sog. Kartusche
geschrieben. Diese ist vermutlich eine Abwandlung der Hieroglyphe
'Snw'
("schenu"), die soviel wie "Unendlichkeit" bedeutet.
Die 4. Dynastie |
Beginnen wir zunächst mit der 4. Dynastie, der Dynastie
der großen Pyramidenbauer.
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Um diese Namen lesen zu können, sind wiederum einige Vorbemerkungen notwendig:
1. Es tauchen neue Hieroglyphen auf, die als Zwei- bzw. Dreikonsonantenzeichen bzw. Ideogramme zu verstehen sind. Lediglich die zweite Kartusche von links dürften Sie bereits komplett lesen können.
Für die 6 dargestellten Kartuschen müssen sie
zusätzlich zu den Einkonsonantenzeichen auch folgende Symbole kennen:
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Übersetzung |
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erscheinen, Erscheinung |
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Dauerhaftigkeit, Langlebigkeit |
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(Ka-)Geist |
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(be)gründen; dauerhaft, bleibend |
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schön |
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Ideogramm für den Sonnengott Ra/Re |
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adlig, edel, heilig |
2. Auch wenn die Kartuschen sehr häufig mit
dem Namen oder Symbol einer Gottheit (meist Re, Amun oder Ptah) beginnen,
so bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß der Göttername
auch die erste Position im transskribierten Namen einnimmt. Es handelt
sich vielmehr um ein Zeichen der Verehrung, den Gott zuerst zu schreiben.
Beim Lesen verkehrt es sich meist sogar ins Gegenteil: Der Name des Gottes
rückt an das Ende.
Woher weiß man nun, in welcher Reihenfolge die
Hieroglyphen in den Kartuschen gesprochen werden?
Es gibt historische Quellen des ägyptischen In-
und Auslandes, welche Königslisten (z.B. die Schriften des Priesters
Manetho, 3. Jh. v.u.Z.) zitieren. Durch Vergleich der Aussprache läßt
sich auf die Anordnung der Schriftzeichen schließen.
Beispiel:![]() |
Wenden wir uns nun (endlich) den Pharaonen zu. Lesen und
zeichnen Sie die Kartuschen, um sich die verwendeten Hieroglyphen besser
einzuprägen.
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'snfrw' |
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'xwfw' |
(grch.: Cheops) |
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'Ddfra' |
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'xafra' |
(grch.: Chephren) |
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'mnkAwra' |
(grch.: Mykerinos) |
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'SpsskAf' |
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Die Pharaonennamen der 12. Dynastie geben uns wiederum
die Möglichkeit, neue Hieroglyphen einzuführen.
Diese Herrscherreihe wird von zwei Geburtsnamen dominiert,
Senwosret (grch. Sesostris)
- "Sohn der Wosret" und
Amenemhat
- "Amun ist an der Spitze".
Die römischen Ordnungszahlen wurden zur besseren
Differenzierung nachträglich zugeordnet und daher nie im Sprachgebrauch
verwendet.
12. Dynastie 1991-1783 v.u.Z
1. (Sehetepibre) Amenemhat [I.]
2. (Cheperkare) Senwosret [I.]
3. (Nubkaure) Amenemhat [II.]
4. (Chacheperre) Senwosret [II.]
5. (Chakaure) Senwosret [III.]
6. (Nimaatre) Amenemhat [III.]
7. (Maacherure) Amenemhat [IV.]
8. (Sebekkare) Kgn. Nefrusobek
Wie ließen sich die verschiedenen Könige
ohne Numerierung nun eindeutig unterscheiden?
Ein Pharao besaß nicht nur einen Namen. Eine komplette
Königstitulatur besteht aus bis zu 5 Namen mit dazugehörigen
Titeln und Beinamen. Gewöhnlich werden jedoch nur der Thronname (="Nisut-bit"-Name)
und der Geburtsname (="Sohn des Ra"-Name) angegeben, sozusagen als Vor-
und Familienname.
An der Eingangstür zur "Weißen Kapelle" im Karnak-Tempel von Luxor findet man eine komplette Titulatur von Senwosret I.:
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Horusname ('Hr')
'anx-mswt'
Nisut-bit-Name ('nsw-bjtj')
'xpr-kA-ra'
'jmn-ra'
'Hrj-tp-tA.wj'
(dem Oberhaupt der beiden Länder)
'anx-Dt'
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Nebti-Name ('nb.tj')
'anx-mswt'
Goldhorus-Name ('Hr-nbw')
"Sa-Re"-Name ('sA-ra')
'sn-wsrt'
'dj-anx-nb'
'Dd wAs'
'snb-nb'
'anx-Dt'
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- ![]() |
* Die Hieroglyphe 'w' wurde vergessen
bzw. aus Platzmangel weggelassen.
Übung: Versuchen Sie hier nur, die Umschrift richtig auszusprechen. Die verwendeten Hieroglyphen werden im späteren Verlauf noch mehrfach auftauchen.
'Hr anx-mswt nsw-bjtj xpr-kA-ra
jmn-ra Hrj-tp-tA.wj mry anx-Dt
nb.tj anx-mswt Hr-nbw anx-ms(w)t
sA-ra sn-wsrt dj-anx-nb Dd wAs snb-nb anx-Dt'
Lösung:
So müßten Sie gelesen haben: "Horus Anchmesut, nisu-biti Cheperkare, meri Amun-Re,
heri-tep-taui, anch-djet"
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Die folgende Tabelle enthält die Thron- und Geburtsnamen der Pharaonen der 12. Dynastie.
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sHtp-jb-ra j-mn-[n]-m-HAt
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("Der das Herz des Re zufrieden macht") Amenemhat |
![]() Opfer
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s-n-wsr-[s]-[r]-t
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("Gestalt des Ka des Re") Senwosret |
![]()
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j-mn-[n]-m-HAt
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("Die Ka-Geister des Re sind golden") Amenemhat |
![]() |
![]() |
s-n-wsr-[s]-[r]-t
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("Erscheinen der Gestalt des Re") Senwosret |
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![]() |
s-n-wsr-[s]-[r]-t
|
("Erscheinen der Ka-Geister des Re") Senwosret |
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n-mAat-ra j-mn-[n]-m-HAt
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("Re gehört zu Maat") Amenemhat |
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mAa-xrw-ra j-mn-[n]-m-HAt
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("Wahre ist die Stimme des Re") Amenemhat |
Beispiel 1: Eine Uschebti-Figur aus einem Grab
(uschebti = "der Antworter")
(Leserichtung von rechts nach links)
In der mittleren Kolumne auf der Statuette finden Sie
den hier vergrößert dargestellten Text. Er besteht aus folgenden
Bestandteilen:
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![]()
Am Ende dieser Kolumne steht nun noch der Name des Toten.
Bis auf das Zeichen |
Übung: Lesen Sie nun die komplette Umschrift und übersetzen Sie sie.
'Dd mdw jn jmj-rA-njwt TAtj
Hm-nTr-tpj n jmn ptH-ms'
Lösung:
So müßten Sie gelesen haben: "Djed medu in mer-niut, tjati, hem-netjer-tepi en Amun, Ptahmose" Übersetzung: "Worte gesprochen vom Stadtverwalter, Wesir und Hohepriester des Amun, Ptahmose..." |
Beispiel 2: Kopie einer Inschrift aus dem Grabe
Sethi I. (19. Dynastie) im Tal der Könige
(Leserichtung von rechts nach links)
Die erste Hieroglyphenkombination
besteht aus den Zeichen
('anx' - "Leben"),
('nTr' - "Gott") und
('nfr' - "schön"). Sie wird übersetzt
als "schöner, lebendiger Gott".
Das Zeichen der Ente steht für die Bedeutung "Sohn" und wird mit 'sA' umschrieben. Die Verknüpfung mit dem Symbol des Gottes Amun als direktem Genitiv wird demzufolge übersetzt als "Sohn des Amun".
Die Hieroglyphe
kennen Sie bereits aus dem letzten Beispiel. Sie ist auch hier mit dem
zusätzlichen '[s]' als Komplement
gekoppelt, das nicht zusätzlich gesprochen wird. Zu dieser Zeichengruppe
gehört desweiteren eine Krone, die "rote" Krone Unterägyptens.
Ihre eigentliche Aussprache "descheret" ist hier nicht gemeint, sondern
sie wird seit der 13. Dynastie als Äquivalent zum Zeichen
'n'
verwendet. Den Abschluß der Sinneinheit bildet das Zeichen eines
Geiers 'mwt' mit dem entsprechenden
Komplement '[t]'. Das als "mut" gesprochene
Symbol kann sowohl als Ideogramm für die Göttin Mut als auch
für "Mutter" verwendet werden, in diesem Fall jedoch eher für
die Göttin.
In Zusammenschau ergibt sich also 'ms-[s]-n mwt-[t]' = "mes-en Mut", übersetzt als "geboren von Mut".
Am Ende der ersten Spalte steht das Zeichen für "Herr" 'nb',
das eigentlich "Herrin"
'nb.t'
lauten müßte. Die weibliche Endung '.t'
wurde allerdings weggelassen und muß aus dem Kontext hinzugefügt
werden.
Die zweite Spalte enthält eine Ortsangabe und wird umschrieben als: 'j-S-[r]-rw-[w] m [a]-aH n j-(p)-t-s(w)t'. Das fehlende 'p' im Ortsnamen Ipet-Sut wurde bei der Abschrift vergessen (ist im Original aber vorhanden), da zur Zeit ihrer Anfertigung die Hieroglyphen noch nicht entziffert waren und daher auch nicht verstanden wurden.
In der dritten Kolumne finden Sie über der Kartusche
zunächst eine Anrede. Sie meint den verstorbenen König, der im
Totenreich die Gestalt des Osiris angenommen hat.
wird umschrieben als 'wsjr nsw' und
übersetzt als "Osiriskönig". In späteren Dynastien ersetzt
diese Bezeichnung häufig die Namensankündigung 'nsw-bjtj'
.
Es folgt der Titel
'nb-tA.wj' - "Herr der Beiden Länder". Gemeint sind damit die
beiden Landesteile Ober- und Unterägypten. Selten erhält der
König auch die Bezeichnung 'smA-tA.wj'
("Vereiniger der Beiden Länder").
Die Kartusche enthält neben den Ihnen bereits bekannten
Hieroglyphen 'mn'
und
'ra'das
Ideogramm der Göttin für Wahrheit und Gerechtigkeit Maat
'mAat',
eine sitzende Göttin mit dem Lebenskreuz 'anx'
in der Hand und der Wahrheitsfeder als Kopfschmuck. Der Name liest sich
also 'mn-mAat-ra' - "Menmaatre" - "Dauerhaft
ist die Gerechtigkeit des Re".
Die vierte Spalte beginnt mit "Sohn des Re", 'sA-ra',
"von seinem Leib",
'n-Xt=f',
"geliebt von ihm",
'mry=f',
"Herr der Kronen",
'nb-xa(w)'.
Die bessere Übersetzung lautet allerdings "Geliebter leiblicher Sohn
des Ra und Herr der Kronen."
Den Namen in der Kartusche dürften Sie nur schwer
lesen können. Das eigentlich richtige Zeichen des Gottes Seth 'stX'
ist fälschlicherweise durch das des Gottes Osiris
'wsjr'
ersetzt worden. Der Name ist also zu lesen als 'stXy
mry-n-ptH' - "Sethi merienptah" - "Er gehört zu Seth, geliebt
von Ptah".
In der letzten Spalte finden Sie das schon weiter oben besprochene "maa-cheru" - "von wahrer Stimme". Es zeigt an, daß der König im Totengericht bestanden hat. Dort mußte er versichern, daß er keine der 42 Sünden begangen habe. Anschließend wurde sein Herz, das in der Mumie verblieben ist, gegen die Feder der Wahrheit gewogen. Hält es die Waage, so hat er die Wahrheit gesprochen und gelangt zu Osiris in das Totenreich - er ist "gerechtfertigt". Ansonsten fällt er der bereits wartenden "Fresserin" Ammit ('am-myt') - einer Fabelgestalt aus Krokodil, Löwe und Nilpferd - zum Opfer.
Die Präposition 'xrj'
ist hier als "vor" oder "bei" zu übersetzen. Die nächsten drei
Hieroglyphen kennen Sie bereits. Es handelt sich um die Darstellung des
Namens Osiris. Dieser wird von einem Beinamen gefolgt:
'xnt-[t](-j)
jmnt-[t](-w)' - "chenti imentu" und wird übersetzt als "Erster
der Westlichen". "Westliche" meint hierbei die Götter des Totenreiches,
das die Ägypter am Westufer des Nils bzw. im westlichen Gebirge (deshalb
auch das Determinativ
für Bergland, Gebirge) wähnten.
Zusammenfassung:
Nach diesen langen Vorbemerkungen ist es an der Zeit,
daß Sie selbst ihre erste komplette Umschrift der oben dargestellten
Inschrift anfertigen. Anschließend sollten Sie dann auch die entsprechende
Aussprache und Übersetzung hinzufügen.
Für die notwendige Hilfe steht Ihnen der Lösungsabschnitt
zur Verfügung. Sie sollten ihn aber nur benutzen, wenn Sie wirklich
nicht weiterkommen.
Lösung:
anx-nTr-nfr sA-jmn ms-n-mwt nb(.t) jSrw m aH n j(p)t-s(w)t wsjr-nsw nb-tA.wj (mn-mAat-ra)| sA-ra n-Xt=f mry=f nb-xa.w (stX-y mry-n-ptH)| mAa-xrw xrj wsjr xnt(j) jmnt(w) "anch-netjer-nefer sa-Amun mes-en-Mut neb(et) ascheru em ah en i(p)et-sut Osiris-nisut neb-taui (Menmaatre)| sa-Re en-chet=ef meri=ef neb-chau (Sethi merienptah)| maa-cheru cheri Osiris chenti-imentu" "Schöner lebendiger Gott, Sohn des Amun, geboren von Mut, der Herrin von Ascheru (=Karnak-Tempel) im Palast von Ipet-Sut (=Theben), Osiris-König und Herr der Beiden Länder (Menmaatre)|, geliebter leiblicher Sohn des Re und Herr der Kronen (Sethi, geliebt von Ptah)|, gerechtfertigt vor Osiris, dem Ersten der Westlichen." |